Das Flugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel. So heißt es zumindest, wenn man einer der weit verbreiteten, aber kaum geprüften Behauptungen glaubt. Doch stimmt nicht so ganz. Fakt ist: Fliegen ist sicher—aber wie sicher denn nun wirklich?
In Zahlen ausgedrückt: Der Statistik nach ist Fliegen in einem Verkehrsflugzeug eines der sichersten Verkehrsmittel überhaupt. So liegt die Chance in einem Flugzeug tödlich zu verunglücken bei ca. 1 zu 7,22 Millionen (2018). Demnach lebt man als Fußgänger im Straßenverkehr bis zu 10 mal gefährlicher.
Fliegen ist so sicher wie noch nie
Lieber Fliegen oder Autofahren? Auch wenn man oft hören mag, dass Fliegen sicherer als Autofahren ist, ein mulmiges Gefühl bleibt vielen Deutschen immer noch. So leiden ca. 20 bis 30 % der Menschen an Flugangst. Aber wie kann das sein?
Während es 10 mal so wahrscheinlich ist, in einem Autounfall zu versterben, dominieren Flugzeugabstürze die Medien. Oder zumindest unsere Aufmerksamkeitsspanne.
Zum einen gehören Autounfälle zu den „unvermeidlichen“ Dingen, die eben ab und zu passieren. Wir sind daran gewöhnt. Sozusagen abgehärtet. Das bringt den Medien zwar ein paar Klicks… aber bei weitem nicht so viele, wie ein Flugzeugunglück.
Demnach berichten Nachrichtenportale viel lieber über Unfälle im Flugverkehr. Die Bilder und Headlines von Unglücken brennen sich in unseren Gedächtnissen ein—Fliegen erscheint auf einmal viel gefährlicher, als es wirklich ist.
Das gilt übrigens für alle „schockierenden“ Unfälle wie Flugzeugabsturz, Blitzschlag und Co. Keiner interessiert sich für durchschnittliche Todesursachen wie z.B. Herzversagen (über 31.000 mal wahrscheinlicher). Darüber wird demnach auch nicht berichtet.
Was wirklich gefährlich ist: Ein kurzer Vergleich (nach Todesfällen in Deutschland 2017; Quelle: Statistisches Bundesamt)
Todesursache | Sterbe-Wahrscheinlichkeit |
Kreislaufversagen | 1 zu 3 |
Krebs | 1 zu 4 |
Diabetes | 1 zu 38 |
Suizid | 1 zu 101 |
Alkohol | 1 zu 182 |
Ersticken | 1 zu 194 |
Sturz von Treppe | 1 zu 710 |
Grippe | 1 zu 793 |
Mord | 1 zu 2.648 |
Feuer | 1 zu 2.786 |
zu Hause stolpern | 1 zu 3.378 |
Heroin | 1 zu 9.813 |
Bienen-, Wespen- oder Hornissenstich | 1 zu 58.266 |
Eisenmangel | 1 zu 186.453 |
Blitzschlag | 1 zu 466.132 |
Verkehrsflugzeug | keine Toten in 2017 |
Die Statistik zeigt: Wer Flugzeuge meidet, sollte auch Treppen meiden. Oder Fortbewegung allgemein, man könnte ja stolpern. In 2017 ist in Deutschland niemand in einem Verkehrsflugzeug tödlich verunglückt.
Flugunglücke sind selten. So selten, dass wir einen größeren Zeitraum sowie eine größere Fläche als Deutschland betrachten müssen, um einen sinnvollen Vergleich zu anderen Fortbewegungsmitteln herstellen zu können.
Unfallrate von Verkehrsflugzeugen
Besonders die zwei nahe aufeinanderfolgenden Abstürze der Boeing 737 MAX 8 lassen daran Zweifeln, ob Fliegen wirklich noch so sicher ist, wie alle behaupten.
- 29. Oktober 2018, Absturz von Lion-Air-Flug 610 mit 189 Toten
- 10. März 2019, Absturz von Ethiopian-Airlines-Flug 302 mit 157 Toten
Doch auch angesichts dieser Tragödien vergisst man schnell, dass jährlich knapp 40 Millionen Flüge starten.
So gab es weltweit im gesamten Jahr 2018 nur 9 Unglücke mit Toten. Die Chance als Passagier, einen dieser Flüge zu erwischen, lag gerade mal bei 1 zu 4,23 Millionen. Wobei viele dieser Flüge nur wenige Todesopfer hatten. D.h., dass man auch in einem dieser Flugzeuge wahrscheinlich überlebt hätte.
Der folgende Trend zeigt, was zu erwarten war: Fliegen ist so sicher wie noch nie.
Weshalb viele Statistiken das falsche behaupten
Oft liest man, dass das Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel ist. Aber stimmt das überhaupt? Laut Forschungsgruppe Wahlen denkt das zumindest die Mehrheit der Deutschen.
Um das zu überprüfen, habe ich sämtliche Flugdaten der EU von 2006 bis 2017 mit den Unfallstatistiken anderer Verkehrsmittel verglichen:
Wie man sieht, ist das Fliegen hier mit klarem Abstand das sicherste Verkehrsmittel. Und in diesem Fall sogar über 100 mal so sicher wie das Autofahren.
Insgesamt also keine Abweichung zu dem, was die meisten Statistiken behaupten. Fliegen ist das sicherste Verkehrsmittel.
Doch wenn man das Diagramm etwas näher betrachtet, fallen die ersten Unstimmigkeiten auf. Wie kann es z.B. sein, dass das Zufußgehen die zweitgefährlichste Art der Fortbewegung ist?
Das Problem mit dieser oft verwendeten Statistik ist, dass dort die Todesopfer pro Kilometer betrachtet werden. Hier haben Flugzeuge nämlich einen klaren Vorteil. Diese sind schnell. Verkehrsflugzeuge kommen problemlos auf Reisegeschwindigkeiten von über 800 km/h.
Und unser Fußgänger? Der würde auf der gleichen Strecke rund 160 mal länger unterwegs sein. Und desto länger man unterwegs ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, das etwas passiert. Das bedeutet nicht gleich, dass die Statistik falsch ist. Allerdings wurde hier die falsche Frage gestellt.
Generell wurde hier beantwortet: Was ist sicherer? 5000 km zu Fuß gehen oder 5000 km mit dem Flugzeug zu fliegen?
Bei 5000 km Fußweg kann man sich schon besser vorstellen, dass auf dieser Reise was passieren kann. Doch für einen Vergleich, was denn jetzt die sicherste Art der Fortbewegung ist, eignet sich diese Betrachtungsweise nicht.
Wir Menschen nehmen Sicherheit nämlich nicht über zurückgelegte Kilometer wahr, sondern über mit einer Tätigkeit verbrachten Zeit.
Flugzeug nicht Rang 1
Eine bessere Art die Sicherheit von Verkehrsmitteln zu vergleichen ist über Reisestunden.
Hiermit lässt sich allgemein folgende Frage beantworten: Was ist sicherer? Eine Stunde zu Fuß gehen oder eine Stunde mit dem Flugzeug zu fliegen?
Am sichersten ist somit nicht das Reisen mit dem Flugzeug, sondern das Fahren mit Bus oder Bahn. Wobei das Fliegen auf Platz 4 immerhin noch sicherer als das allgemeine Autofahren ist.
Hier ergibt sich auch ein logisches Bild für die Gefahr als Fußgänger: Zu Fuß gehen ist in etwa so gefährlich, wie Autofahren. Um genau zu sein: Bei einer Stunde Fußmarsch bzw. Autofahren hat man die gleiche Chance tödlich zu verunglücken, wie bei 1,56 Stunden in einem Passagierflugzeug.
Vor allem sollten Motorradfahrer nicht über die Gefahr des Fliegens argumentieren. In beiden Statistiken bleibt das Motorradfahren mit großem Abstand die gefährlichste Art der Fortbewegung.
Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass die Diagramme nur für das Fliegen mit kommerziellen Airlines (Linien- und Charterverkehr) gelten. In der allgemeinen Luftfahrt (u.a. private Flüge) ist das Risiko zu verunglücken größer.
Was macht Fliegen so sicher?
Wartung, Wartung, Redundanz und Wartung. Kein anderes Transportmittel wird so umfassend geprüft, gewartet und überwacht wie das Flugzeug.
In einem Flugzeug sind alle wichtigen Teile doppelt und 3-fach ausgelegt. D.h., wenn ein Teil versagt, ist immer ein anderes da, dass die Funktionen des ersten übernimmt. Und das gilt nicht nur für kleine Teile wie Schrauben und Co., sondern auch für ganze Systeme.
So kann ein Flugzeug auch dann problemlos weiterfliegen, wenn z.B. ein Triebwerk versagt.
Welche Rolle die Wartung bei Flugzeugen spielt, zeigt vor allem der Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln:
Es ist einfach zu erkennen, dass die Wartung in der Luftfahrt eine zentrale Rolle spielt. So hat jedes verbautes Teil seinen eigenen Zeitplan, der aufgibt, wann es überholt oder ausgetauscht werden muss. „Schnellreparaturen“ gibt es nicht. Jedes einzelne Bauteil ist für seinen speziellen Zweck konzipiert und deren Hersteller streng reguliert.
Durch intensive Wartung soll somit jedes Risiko im Keim erstickt werden. Denn der Verlust einer Maschine, im schlimmsten Fall mit Toten, kann das Aus einer Airline bedeuten. Dabei liegt es auch im Sinne des Flugzeugherstellers einen immensen Image- und finanziellen Schaden zu vermeiden.
Was so ein Verlust einer Maschine für einen Flugzeughersteller bedeuten kann, kann man gut am Beispiel von Boeing erkennen. Nach dem Absturz der Boeing 737 MAX 8 am 10. März 2019 musste Boeing einen Wertverlust von rund 40 Milliarden Euro hinnehmen.
Verwendete Annahmen und Quellen
Diagramm „Durchschnittliche Arbeitsstunden in der Wartung pro Jahr“
Unter Arbeitsstunden in der Wartung werden hier die Arbeitsstunden aller mit der Wartung beschäftigten Personen addiert. Hierbei sind die Zahlenangaben nur als grobe Richtwerte zu behandeln, da nur ein Flugzeugtyp (mit Einhaltung aller standardmäßigen Checks) und ein Bahnunternehmen betrachtet wurden.
Bei der Stundenangabe der Autowartung handelt es sich um einen Schätzwert. Dieser setzt sich zusammen aus einem Einhalten der empfohlenen Kfz-Inspektionen und kleinerer Wartungsaufgaben wie der Wechsel von Sommer- auf Winterreifen.
Insgesamt wurde im Diagramm der Zeitraum bis zum Auftreten des ersten D-Checks von Boeing 747 Maschinen betrachtet. Mit ca. 4500 jährlichen Flugstunden von kommerziell genutzten 747 für den Personentransport ergibt dies ca. 5,6 Jahre.